Robert Lamm traf die
anderen Mitglieder bei einem Meeting, in dem diskutiert wurde, wie man
zum Erreichen der musikalischen Ziele vorzugehen hatte. Das Datum war
der 15. Februar 1967.
Wir trafen uns in Walters Wohnung im Nord-Bezirk von Chicago," so Pankow. Es
war Danny, Terry, Robert, Walter, Lee und ich, und wir stimmten überein,
unser Leben und unsere Energien diesem Projekt zu widmen."
Man probte im Kellergeschoß
von Parazaiders Eltern, so oft man konnte.
Wir glaubten, dass die einzigen Leute, die richtig mit Bläser
spielten, die Soul-Acts waren," sagt Pankow, ...damit
wurden wir auch eine Art Soul-Band so in der Richtung von James Brown und Wilson Pickett."
Die Band brauchte noch einen
Namen. Parazaider erinnert sich: Ein italienischer Freund von
mir sagte: Du weißt, alle sagen Thing, Thing this,
Thing that. Das hat viel mit euch gemein. Wir werden euch The
'Big Thing' nennen."
Im März 1967 hatte
The Big Thing seinen ersten Auftritt im GiGi A Go
Go in Lyons, Illinois. Im Juni, Juli und August spielte die Band
in Peoria, Sioux Falls, Süddakota, Rockford, und Indianapolis.
Aber der wichtigste frühe Gig war ein einwöchiger Auftritt
vom 29. August bis zum
3. September 1967 im Shula Club in Niles, Michigan.
In Niles trafen sie
sich auch mit Parazaiders alten Freund Jimmy Guercio, er wurde
ihr erster langjähriger Produzent. Er hörte uns spielen," erinnert sich Parazaider, ...und war sehr beeindruckt."
Es war der große Durchbruch. Guercio sagte, wenn
sie so weitermachten, würde er auch weiterhin mit ihnen in Verbindung
bleiben. Ermutigt dadurch begannen sie, mehr ihr eigenes originales
Material zu entwickeln.
Ich schrieb nun eigene Songs," sagt Pankow. Robert schrieb mehr Songs und Terry Kath steuerte auch sein eigenes Material
bei."
Den ganzen Herbst spielte
The Big Thing im Midwest Club. In der zweiten
Dezemberwoche bekamen sie einen wichtigen Gig: Wir waren der
Opening Act im Barnaby's in Chicago für eine Band genannt
The Exceptions, sie war die größte Clubband im
Mittelwesten, wir waren im Publikum und hörten ihnen zu," sagt
Pankow, ...ich wurde direkt weggeblasen..."
So wie The Big
Thing lang blieb, um The Exceptions zu hören,
so viel früher kam einer von The Exceptions, um The
Big Thing zu hören. Ich hatte viel gehört von
diesen Jungs," sagt Peter Cetera, der Bassist von The
Exceptions. Ich war nur sprachlos, denn sie spielten Songs,
die sonst niemand machte, und auf eine andere Weise. Sie spielten von
den Beatles Magical Mystery Tour und Got To Get You
Into My Life sowie andere Versionen von Rocksongs mit Bläsern."
Nach dem Gig," so Pankow, kam er zu uns und
sagte: Ich weiß nicht, was ihr da macht, aber ich mag es.
Es erfrischt wirklich. Es ist cool."
Am Ende des zweiwöchigen Gigs," so Cetera, verließ
ich The Exceptions und war nun neues Mitglied von The
Big Thing".
Peter
Cetera wurde am 13. September 1944 in Chicago geboren. Als er zehn Jahre
alt war, wurde sein erstes Instrument das Akkordeon.
Das ist leider wahr," gibt er zu, ...es gab Akkordeon
und Gitarre, und aus irgendwelchen Gründen wählte ich das
Akkordeon. Ich weiß nicht warum. Ich schätze, weil ich halb
polnisch war, und wir spielten viele Polkas. Es war nicht gerade förderlich
für meine Rock n Roll Karriere, aber es machte eigentlich
viel Spaß..."
Seine eigentliche musikalische
Karriere begann ein klein wenig später.
Ich hörte mir andere Musik an," erinnert
er sich, ...und als ich Student im zweiten Jahr in der High
School war, kaufte ich mir eine kleine Gitarre und sang während
der Schule. Ich traf einen Oberstufenschüler, der auch Gitarre
spielte, und wir sangen zusammen. Er sagte: Gründen wir eine Band und ich meinte, OK, ich werde mir einen Bass
kaufen. Nun spielten wir auf allen Heimkehr- und Wochenenden-Tänzen
Top-40 Material. Im Oberstufenjahr kam ich mit The Exceptions
zusammen. Ich blieb fünf oder sechs Jahre bei ihnen."
Cetera entsprach den
musikalischen Bedürfnissen des Big Things vollkommen.
Wir brauchten einen Bassisten," meint Loughnane. Robert spielte die Bass-Pedale der Orgel. Er machte es gut, aber
man konnte halt nicht genug Bassdruck mit den Pedalen der Orgel
erzeugen. Wir brauchten einen echten Bass in der Band. Und wir
brauchten eine Tenorstimme. Wir hatten zwei Baritone (Lamm und Kath),
damit konnten wir mittlere und niedrigere Stimmlagen abdecken. Aber
wir brauchten eine hohe Stimme für den gleichen Grund, warum wir
drei Bläser hatten. Wir hatten Trompete, Tenorsaxofon und Posaune.
Sie klangen zusammen so harmonisch, und wir wollten die gleiche Sache
auch mit den Gesangstimmen machen. Als Peter in die Band kam, perfektionierte
sich unser Gesang. Wir konnten musikalisch mehr Farbe bekommen, und
wir begannen, von dort an aufzubauen."
Im Barnabys
war vom 6. - 10. März 1968 der nächste große Auftritt
von The Big Thing, und Guercio hörte ihnen zum zweiten mal
zu. Beeindruckt durch die Darbietung und die Band-Verbesserung verhandelte
er mit ihnen. Er sagte, wir sollen uns für einen Umzug
nach L. A. vorbereiten," sagt Pankow, wir sollten an unseren
eigenen Songs weiterarbeiten und er würde uns anrufen, sobald
er bereit wäre."
Der Name The
Big Thing wurde jetzt von Guercio umbenannt zu Chicago Transit
Authority im Andenken an die Buslinie, mit der er früher
zur Schule fuhr. Die Band arbeitete mit kreativer Inbrunst. Kath, Pankow und besonders Lamm schrieben große Mengen von Originalmaterial.
Mit Lamm wurden zwei der denkwürdigsten Band-Songs fertiggestellt,
Questions 67
and 68 und Does
Anybody Really Know What Time It Is?, kurz vorausgehend zum Umzug von Chicago nach Los Angeles.
Guercio reagierte schnell. Er kaufte ein kleines Haus in der Nähe der Hollywood-Autobahn
und sagte uns, dass er bereit wäre," erinnert sich Pankow. Wir machten im Juni 68 den Umzug. Die verheirateten von
uns ließen ihre Frauen zuerst zu Hause, weil sie es sich einfach
nicht leisten konnten, ihre Familien mitzubringen. Wir bekamen fünf
Mal am Tag Beschwerden von den Nachbarn, weil alles, was wir machten,
Übung war, Tag und Nacht."
Die Band begann, im
Gebiet um Los Angeles zu spielen. Ich glaube, wir bekamen alle
in dieser Zeit nicht mehr als 15 - 20 Dollar, egal in welcher Bierhalle
wir hier in der Vororten von Los Angeles auch spielten," sagt Parazaider.
Aber zusätzlich zu ihren Einnahmen gewannen sie auch neue Fans,
einer von Ihnen war Tris Imboden, ein 16jähriger Surfer und ein
strebsamer Schlagzeuger. Ich kann mich noch erinnern, ich ging
zum Shrine Auditorium," sagt er, ...ich war hier, um
Procol Harum zu sehen, Arthur Lee und Love spielten auch. Ich ging weiter,
und auf einer anderen Bühne war diese Band mit den Bläsern,
und, Mann, es beeindruckte mich sehr! Großer Gott! Das ist
die beste Sache, die ich je gehört habe, weil es war eine
Mischung von so vielen Sachen, die ich liebte, R&B, Jazz und Rock
n Roll, und die Gesangsparts waren so stark, zwischen Robert und
Terry und besonders Peter. Danny Seraphine war auch teuflisch gut, er
packte wirklich meine Aufmerksamkeit. Ich fragte jeden: Wer ist
das? und es war CTA, Chicago Transit Authority. Wenn mir jemand
gesagt hätte: Tris, eines Tages, werden sie der Schlagzeuger
dieser Band sein, ich hätte gesagt: Ja, natürlich.
Und ich bin Napoleon! Ich hätte niemals daran geglaubt...."
Nach 22 Jahren wurde Tris Imboden doch Chicago's neuer Schlagzeuger.
Gemäß den
Produktionsbedingungen mit CBS hatte Guercio dreimal die Gelegenheit,
verschiedene Labels für das Plattencover zu präsentieren.
Er arrangierte auch die erste Präsentation von The Chicago
Transit Authority im Whisky A Go Go im August,
aber CBS West Coast Division lehnte sie ab. Ein Monat später wurden
sie von CBS wieder abgelehnt, Rückschlag zwei.
Das Geld wurde langsam
knapp, und Guercio wurde gebeten, das zweite Album von Blood,
Sweat & Tears zu produzieren, eine Jazz-Rock-Gruppe von CBS.
Er beabsichtigte, sein Einkommen von diesem Projekt für das Finanzieren
von Chicago Transit Authority bereitzustellen, damit endlich
ein Weg zum Plattenvertrag mit CBS gefunden wird. Guercio brauchte aber
die Erlaubnis der Band, um jemanden anderen zu produzieren.
Jimmy rief
mich an und bat mich, die anderen Bandmitglieder zu fragen, ob es o.
k. wäre, wenn er Blood, Sweat and Tears zweites Album
produzieren würde," erinnert sich Parazaider. Zuerst
dachte ich: ...gut, Mann, das sind Bläser, aber was soll
das? und sagte ihm meine Meinung. Er meinte: Um die
Wahrheit zu sagen, ich habe die Bläser nicht wirklich als eine
ganze Bandsituation aufgenommen. Ich habe Bläser aufgenommen, die
hierhin und dorthin in die Aufnahme einfügt wurden, oder ein paar
kleine Schnipsel da und dort. Das war ein guter Weg für mich zu
lernen, wie man Bläser aufnimmt. Ich glaube nicht, dass es
ein Lippenbekenntnis war, denn er hatte die Bläser wirklich nicht
direkt aufgenommen. Wir waren im Grunde eine Band mit voll integrierten
Bläser in der Band, nicht als Hintergrundbläser. Ich hasse
immer daran zu denken, wie der Bläsersound von Chicago
und Blood, Sweat & Tears verglichen wird. Blood,
Sweat & Tears waren von Anfang an viel anders als wir und
ihr Sound wurde oft kopiert, nachdem wir den Chicago Horn-Sound
hatten. Ich denke, die Blood, Sweat & Tears - Bläser
wurden auf eine ganz andere Art aufgenommen als unsere Bläser.
In der Tat, wenn sie die zwei Bands vergleichen, würden sie sagen,
sie sind wirklich eine Jazz-Rockband, wobei wir anders waren. Sie nannten
uns eine Jazz-Rockband, nachdem B,S&T verblassten,
aber wir waren im Grunde immer eine 'Rock n Roll-Band mit Bläser'."
Statt des Risikos mit
noch einer CBS- Präsentation schnitt Guercio eine Demo von The Chicago Transit Authority,
und als die Platten-Industrie sich meldete, änderte
CBS-Präsident Clive Davis die Entscheidung der West Küsten-Manager und unterschrieb den Plattenvertrag.
Sieben Monate nach
der Ankunft in Kalifornien, fast zwei Jahre nachdem sie sich in Parazaiders Wohnung getroffen hatten, und nach mehr als ein angehäuftes halbes
Jahrhundert Spielen und Üben, wurde den sieben Mitgliedern von
Chicago Transit Authority nun schließlich die Chance
gegeben, der Welt zu zeigen, wer sie sind und was sie konnten.
In Januar 69
flog die Band nach New York, um mit der Arbeit des 1.Albums anzufangen.
Nun gab es zwei Probleme, an die keiner gedacht hätte. Das erste
war: Das Guercio-produzierte Blood, Sweat & Tears Album
wurde zuerst ein Flop (obwohl es später ein spektakulärer
Hit wurde), der Status seines neuen Projektes, CTA, litt
dadurch: Die Plattenfirma kürzte die Länge der Produktionszeit,
welche die Band im CBS- Studio zur Verfügung hatte. Der Band
wurden nur fünf Tage für Basic-Tracking und fünf Tage
für Overdubbing zugelassen. Und dann gab es noch das zweite Problem: Obwohl sie gut geprobt hatten, waren die Bandmitglieder nie zuvor in
einem Studio gewesen.
Wir gingen
eigentlich ins Studio und wollten anfangen, The Chicago
Transit Authority aufzunehmen, fanden aber gleichzeitig
heraus, dass wir sehr wenig darüber wussten, was wir machten," sagt Walt Parazaider. ...ich machte kommerzielle Sachen
in Chicago, aber das war eine total andere Situation für uns. Der
erste Song war Does
Anybody Really Know What Time It Is?. Wir versuchten
es Live aufzunehmen, alle zusammen im Studio auf einmal. Wie zur Hölle
bringen sie sieben Jungs dazu, das erste Mal im Studio richtig zu spielen?
Ich erinnere mich, ich stehe in der Mitte dieses Raumes. Ich konnte
keinem ins Gesicht schauen, aus Angst, ich würde sie ablenken oder
sie mich. Es ist verrückt, wie es funktionierte. Nachdem es das erste
Mal nicht so richtig klappte merkten wir, dass zuerst der Rhythmusteil
kommen musste, dann die Bläser, und genauso praktizierten
wir im Grunde auf vielen unserer Plattenaufnahmen."
Aber das gewaltige
Material der Band passte nicht auf eine damalige Standard 35-Minuten
-LP. Die Band hatte mehr als genug Stoff für ein Doppelalbum.
Wenn sie es selbst entscheiden könnten, schien ihnen die Zeit recht
zu geben. Anfang 1969 war eine Periode, wo "Rock n Roll" so seriös
wurde, wie man es vor einigen Jahren nie geahnt hätte. Die Beatles hatten gerade ihr neues Doppelalbum White Album veröffentlicht, zudem wurde auch die hochheilige "drei- Minuten- Begrenzung" für
eine Single durchbrochen: Die Veröffentlichung des über
sieben Minuten langen Hey Jude.
Als von dem Vorhaben
einer Doppel-LP erzählt wurde, sagte Columbia zu Guercio,
eine Doppel-LP könnte nur realisiert werden, wenn die Tantiemen
der Band gekürzt würden. Die Band stimmte zu.
The Chicago
Transit Authority ist eine Zeitkapsel populärer Musikstile
der späten '60'er, mit CTAs eigenem einmaligen
Geschmack. Man kann aus den Gruppen Klassik, Jazz, R&B
und Pop auswählen, es gibt Hinweise auf die Beatles sowie Jimi Hendrix. Man kann
die Bandgeschichte heraushören: Kaths Introduction,
welches in der Tat "die Band einführt" (We're a little nervous),
ist CTAs eigene Version von einer Art funky Bar-Band hochgebracht
von Sly and the Family Stone's Dance To The Music
oder Archie Bell and the Drells' Tighten Up. Mitten
im Song geht man von der Bar zum Wohnzimmer und hört dort tolle
Bläser, Momente später ist man in einer Konzerthalle,
und es heult das Rockgitarren-Solo von Kath.
Does
Anybody Really Know What Time It Is? startet mit einem akustischen
Pianosolo, es erinnert an Erik Satie und Art Tatum,
während der Song selbst ein helle Popmelodie mit typischer Anti-Establishment-Lyrik
kombiniert. Questions
67 And 68 beinhaltet eine stattliche Bläserstaffelung
mit heißen Gitarrenriffs und einen musikalischen Rhythmus,
der an Popsongs wie Jimmy Webbs MacArthur Park
erinnert.
Durch all diese Zutaten: Hier die intensiven Bläser,
der kultivierte Rhythmus verändert sich mit aufschreckenden musikalischen
Nebeneinanderstellungen, die wechselnden Gesangstimmen: sanft (Lamm),
hochsteigend (Cetera), und seelenvoll (Kath), wird ein Sound entwickelt,
der das Kennzeichen des klassischen Chicago-Sounds wird.
The Chicago
Transit Authority wurde im April 1969 veröffentlicht und von den neuen mächtigen FM Rockalbum
Stationen gespielt, besonders vom College-Radio.
AM-Radio wollte uns nicht spielen, weil wir anders
waren," sagt Pankow. Sie waren nicht dazu fähig, unsere
Musik einzuordnen. Sie war auch anders, und die Songs auf dem Album
waren so lang, dass sie wirklich nicht für Radiostationen geschneidert
waren, außer wenn sie bearbeitet würden, und wir wussten
nichts über das Bearbeiten. Wir bearbeiteten aber drei Songs und veröffentlichten
sie, aber FM-Radio wollte diese Musik nicht spielen.
Das
Album wurde so ein Underground-Hit, und FM-Radio wurde vom College-Publikum der späten 60er bedrängt. Auf einmal
entdeckten die College-Campusse um das Land Chicago, und
es war geschafft. Das war der Anfang. Wer unsere Musik nicht hörte,
war nicht Hip. Es waren die College-Schüler, die durch Mundpropaganda
dieses Album so zu einer unglaublichen, enormen Hauptstütze für
die Pop-Charts machten."
Am 17. Mai 1969 zog
das Album in die Top-LP-Charts des Billboard-Magazins ein, und
erreichte schließlich seinen Höhepunkt bei Nr.17.
Ende 1972
hatte es 148 Wochen in der Hitliste gestanden (und das war nicht das
Ende seiner totalen Laufzeit), es wurde zum längsten laufenden
Hit-Album einer Rockgruppe zu dieser Zeit.
Im Dezember war The Chicago
Transit Authority noch ohne Hit-Single, aber das Album erreichte
in den Verkaufslisten Gold, und Chicago wurde eine berühmte
Band. Es veränderte ihr Leben.
...unser Lebenstraum war, einen Hit zu bekommen," sagt
Parazaider. Es war schon erstaunlich, weil wir engste Freunde
waren, die alle zusammen dieses ganze Durcheinander von der Abreise
von Chicago bis zur Ankunft in L.A. mitgemacht hatten, in einem jungen
Alter, beim Verlassen unserer Familien, gerade als der Würfel rollte.
Wir hielten letzten Endes trotzdem immer zusammen, jedermanns Ego war unter Kontrolle.
Ich denke, für einige in der Band war es schwieriger, mit dem
Erfolg zurechtzukommen als bei anderen. Ich denke nicht, dass es irgendeinen
von uns gab, der sich an dem Tag im Februar 67 an den Tisch in
meiner Küche hinsetzte und sagte: Hey, unser Ziel ist es,
berühmt zu werden!. Die eine gute Sache, die uns zu helfen
schien: Wir waren die gesichtslose Band hinter diesem Logo."
Obwohl Kritiker
ihre Absichten immer missdeuteten, Chicagos Logo und ihre
Gesichtslosigkeit waren sehr im Trend des späten 60er Stils. Bandanstrengungen, die über dem Individuum des einzelnen Egos
stand.
Damit die armen Fans nicht immer so einen lagen Bandnamen schreiben mussten, kürzte die Gruppe während ihres ersten
Jahres ihren Namen einfach auf "Chicago" ab. (In Wirklichkeit gab es einen Namens-Rechtstreit, den der gleichnamige Chicagoer Verkehrsbetrieb "Chicago Transit Authority" gewann. So musste auf "Chicago" abgekürzt werden.)
Anfang Dezember flog
Chicago nach London, um eine 14-Tägige Europatour zu starten.
Robert Lamm erinnert sich bei dieser Tour besonders gern an das dankbare
Publikum, es mochte gleich ihre Musik und war ernsthaft dabei.
...sogar wir waren darüber nicht bewußt, wie unruhig
und verschieden das erste Album war," sagt er. Wir taten
das, was wir immer machten, und hofften, dass es gut genug für
andere Leute war, die merkten, dass unsere Musik anders ist. Aber sobald
internationales Publikum das Album hörte, wurde es auf uns aufmerksam.
Wir spielten in Clubs überall in Europa, und das Publikum erwärmte
sich dafür viel bereitwilliger als wir es irgendwo in den Staaten
erfahren haben. Als wir zurückkamen, das Album hatte mittlerweile
Gold-Status, publizierten wir noch ein bisschen, aber da war immer noch
das Gefühl, dass unser amerikanisches Publikum nicht das bekam,
was es wirklich wollte. Sie machten unsere Band populär, aber wir
bezweifelten, dass sie unsere Musik wirklich akzeptierten. Ich denke
an unsere Auftritte in Europa, wo wir mit künstlerischem Respekt
behandelt wurden, hier wurde unser Auge geöffnet und wir wurden
wirklich als Band bestätigt. Hier erkannten wir, dass das, was
wir machten, richtig und künstlerisch war, besser als diese Popware
in den Staaten, wegen des Publikums, der Presse, und der Art, wie die
Plattenfirma mit uns umging. Dieser Erfolg in Europa und unser Gefühl,
dass wir wirklich als Künstler respektiert wurden, half uns mehr
als alles andere bis zum heutigen Tag."
Zwischen der Tournee
im August 69 hatte Chicago endlich Zeit gefunden, das
zweite Album aufzunehmen. Lamm schrieb einen der ersten Songs für
das Album, 25
Or 6 To 4, ein Song mit einem Text, über dessen Bedeutung
Chicagofans lange diskutierten. Welche Bedeutung hat der Titel? Es
ist ein Hinweis zur Zeitangabe des Tages," sagt Lamm. Und der Text: Der Text beschreibt das Schreiben eines Songs. Er ist nicht
mystisch."
Möglicherweise
war das ehrgeizigste Stück auf dieser Platte Pankows Ballet
For A Girl In Buchannon, dass den Klang der ganzen LP beeinflusste. Die zweite Platte hatte mehr eine klassische Ader," sagt
Parazaider, wogegen das erste Album wirklich eine raue
Sache war. Das zweite schien ein wenig mehr poliert".
Ich bin von Klassik inspiriert worden," sagt Pankow über sein Ballett. Ich kaufte mir die Brandenburgischen Konzerte,
und hörte mir diese Musik eine Nacht lang an. Ich dachte: Mann,
wie cool! Bach schrieb vor 200 Jahren diese Musik, und sie kocht noch
immer. Wenn wir einen Rock n Roll- Rhythmusteil mit dieser Musik
kombinieren würden, es könnte echt cool sein. Ich war
auch ein großer Stravinsky-Fan. Sein Material ist klassisch, doch
es beeinflusste das Ballett sehr. Wir waren unterwegs, und ich hatte ein Fender-Rhodes
Piano im Hotel. Ich verfing mich beim Spielen an irgendeinen Arpeggios
a la Bach, und herauskam Colour
My World. Es ist zwar nur ein einfaches 12-Takt Muster,
aber es war schön fließend. Dann rief ich Walt ins Zimmer
und sagte: Hallo Walt, willst du mit deiner Flöte dazu spielen?,
und so führte die eine Sache zur anderen. Diese Stücke waren
zusammenhanglos, aber ich mochte sie alle, und schließlich wurden
sie so miteinander verbunden, in Kombination von Sequenz und Zwischenspiel".
Das zweite Album wurde
auch das Debüt eines neuen Band-Texters, obwohl die Umstände,
unter denen er es wurde, eher unglücklich waren. Während einer
Tour-Pause im Sommer 69 ging Peter Cetera zu einem Baseball-Spiel ins Dodger-Stadium von Los Angeles. ....vier Marinesoldaten
mochten keinen langhaarigen Rock N Roller in einem Baseball-Park," erzählt Cetera, ....und natürlich war ich ein Cub-Fan,
und ich war im Dodger-Stadium, und das war nicht so gut. Es kam zum
Kampf mit den Soldaten. Das Ergebnis davon war, dass mein Kiefer an
drei Stellen gebrochen war, und ich ein paar Tage im Krankenhaus lag."
Das Ereignis hatte
zwei verschiedene Auswirkungen auf Ceteras Karriere. Die erste
war eine Wirkung auf seinen Gesangstil. Die einzige lustige
Sache, an die ich über das ganze Ereignis denken kann," sagt
er, ist, wie ich mit meinem verdrahteten Kiefer wieder singen
konnte, ich sang mit zusammengepresstem Kiefer ab diesem Tag, und das
ist bis heute immer noch die Art wie ich singe."
Die zweite Auswirkung
des Zwischenfalls war Ceteras erste Komposition. Mit einem gebrochenen
Kiefer hatte der Sänger viel Zeit. ...ich lag im Bett, als sie auf dem Mond landeten, und packte meinen Bass, spielte
eine kleine Sequenz und fing an, Where
Do We Go From Here zu schreiben.
Ich denke, Walter
Cronkite hatte das mal gesagt, und ich dachte: Mensch, wo gehen
wir hier hin? So schrieb ich über diese Sache, über
mich, über die Welt und über alles im Allgemeinen, und so
war meine erste Komposition entstanden."
Das zweite Album warf
auch einen direkten Blick auf die aktuelle politische Situation. Chicago hatte
auf ihrem ersten Album Protestgesänge von den Yippie-Demonstranten
außerhalb der Demokratischen Convention von 1968 aufgenommen. Die Anmerkungen
des zweiten Albums (verfasst von Robert Lamm) widmeten hingebungsvoll
das Album, die Band-Mitglieder, ihre Zukunft, und ihre Energien Den
Leuten der Revolution und der Revolution in all seinen Formen.
Lamms politische Meinung wurde von den letzten Monaten im Frühling '68 ihrer
Heimatstadt beeinflusst. Chicago
war ein Kochkessel," erinnert sich Lamm. Während
den letzten Monaten gab es viel Unruhe und Nationale
Wachtrupps durchkreuzten die Straßen. Das war vor der Demokratischen
Convention, und die Stadt war aufgeregt und hatte schon eine eingebaute
Angst von den Hippies, und weil wir in den Clubs spielten, bekamen wir es mit. Ein paar von uns kamen in Situationen,
wo sie beim Verlassen der Clubs durch die Straßen liefen, besonders
durch die Rush-Street-Aera, es gab viel Angst, die den Intellektuellen
zugeschrieben wurde. Die erste dunkle Ahnung von mir war, dass etwas
so einfaches wie lange Haare als eine politische Behauptung analysiert
werden konnte. Ich lenkte dann meine lohnende Aufmerksamkeit zu den
Anti-Vietnam-Krieg Protesten, viel von der Rhetorik von dem hin- und
her zwischen den Mitgliedern unserer Regierung und den Leuten, die im
Showbusiness bekannt waren, und den Medien, die erklären,
ob sie gegen oder für den Krieg waren. Es gab von alledem jeden
Tag viel zu entdecken."
Nachdem die Band in
Kalifornien war und mit dem Songschreiben weitermachte, beeinflusste
Lamms Weltansicht auch seine Song-Lyrik. In Songs wie It
Better End Soon und Does
Anybody Really Know What Time It Is? reflektierte er alle
Arten von Fragen: Politische, gesellschaftliche und philosophische,
damit die jungen Leute im Land selbst mal damit anfingen, Fragen zu stellen.
Ich bin nicht
genau sicher, warum ich über andere Sachen schreiben konnte ohne
romantische Themen den Vorrang zu geben," sagt Lamm, ...aber
gerade, weil ich jene Zeiten miterlebte und den Konflikt in
Asien beobachtete, der täglich im Fernsehen gezeigt wurde. Wir
alle saßen herum und schauten viel Fernsehen, dann der Kulturschock
vom Umzug von Chicago nach Kalifornien. Und dann die alternative Presse,
die L.A. Free Press, war sehr in das heiße Thema der Revolution
verwickelt. Es schien, dass die Generation, von der ich ein Mitglied
war und die Generation der neuen Gruppen eine Verbindung hatte, und
somit war es natürlich, mit ihnen meist gleicher Meinung zu sein.
Als Dummheit (er lacht) erwiesen sich vielleicht einige von meinen Meinungen
und jene von einigen meiner Zeitgenossen, man fühlte aber, dass
man das Richtige tat, und daher war es auch richtig, dass viele Bands
dieser Zeit ihre Idee ausdrückten: Von der durchschnittlichen Person,
die ein bisschen Courage hat, und Courage vielleicht genug,
um die Politik der Regierung zu boykottieren und gegen den Krieg zu
protestieren."
Gleichzeitig ereignete
sich eine Verbindung von Musikgeschäft und politischen Bewegungen.
Wir spielten ab1969 in Universitäten und Colleges," erinnert sich Lamm, und sehr oft wurden jene Konzerte auch
als ein Sprungbrett für politische Versammlungen benutzt. In anderen
Worten: Jeder kreuzte auf, um sich bei der Show zu zeigen, und dann
gingen sie und redeten über die Antikriegs-Bewegung oder von der
abstrakten Vorstellung der eigentlichen Revolution. Dann spielten wir
auf den Popfestivals, die ein Schmelztiegel von allem waren, alles Mögliche
von freier Liebe bis hin zu Drogen, sie wurden benutzt zur Informationsverbreitung
der Anti-Krieg-Bewegung, des politischen Klimas, und den gesellschaftlichen
Fragen. Es war echt schwieriges Zeug für alle, weil niemand wusste,
wie es zu packen sei, aber wir alle hatten das Gefühl der Unbezwingbarkeit.
Zurückblickend
sagt Lamm: Ich denke, dass es eine Revolution gegeben hat. Man ist vielleicht nicht einverstanden mit dem Begriff Revolution,
aber für uns als späte Teenager oder frühe 20'er war
dies sicher ein sexy Wort".
Natürlich suchten die politischen Aktivisten zu dieser Zeit eine
idealistische und störende Revolution, die das System
ersetzen sollte. Lamm denkt, die eigentliche Revolution war weniger
konkret, aber vielleicht überzeugender.
In meiner Sicht war die Hoffnung vom Paradies und Frieden auf
Erden, was wir inbrünstig glaubten, nicht utopisch," sagt er,
und das, was wirklich passierte, war etwas Feineres und nicht
so rau, wie man sich eine Revolution eigentlich vorstellt. Ich glaube,
dass es so ganz allmählich passierte und wir es deshalb noch
nicht wahrgenommen haben. Nehmen sie nur etwas so alltägliches
wie Musik (er lacht), es gibt da eine große junge Generation von Rap-Künstlern,
die alles sagen, was sie wollen und vermitteln es eigentlich in politischer
und gesellschaftlicher Form. Leute aller Kulturen hören es,
und diese Protest-Form hat innerhalb des Systems geblüht, es wird akzeptiert und größtenteils ist es okay, außer
beim extremen rechten Flügel."
Das offensichtlichste
Beispiel der sozial/philosophischen Revolution von Lamm sind die Änderungen,
die seinerzeit von den Bürgerrechts- und Antikriegsbewegungen erreicht
wurden.
Ich hasse es, auf der ganzen rassistischen Sache herumzureiten,
aber ich glaube, es ist wahrscheinlich der leichteste Weg, die Sachen
zu nennen, die sich immens seit den 60er verändert haben." sagt er. Offensichtlich sind sie für die Farbigen
in diesem Land noch nicht perfekt, sondern sie sind nur viel anders.
Wir denken nicht mehr so vom "schwarzen Mann" in der Weise, wie wir es
1969 taten. Wir taten es nicht gerade. Der Stereotyp hat sich 180 Grad
verändert. Dann sind bestimmt viele Leute, die an der Front waren,
ob Bürgerrechtsbewegung, Studentenaufstand oder die Antikriegsbewegung,
jetzt in der Regierung. Sie können nun sagen, dass sie jetzt doch
im System integriert sind, aber ich denke zurückblickend, es
war Wunschdenken daran zu glauben, dass sie das System ersetzen konnten. Sie konnten
nicht das System ersetzen, aber sie konnten das System verändern."
Vielleicht ist damit die Revolution in wenigstens einigen ihrer Formen
vorangekommen.
Im Januar 1970 wurde das zweite Album veröffentlicht.
Anstatt ein Band-Bild auf dem Cover und einen Songtitel
abzubilden, hatte es nur das auffällige Logo der Band darauf und
hieß: Chicago II.
Von Anfang an wurde Chicago in einem leicht erkennbaren Styling der
Öffentlichkeit präsentiert. Die Albumcovers wurden beaufsichtigt
von John Berg, dem Kopf der Kunstabteilung bei Columbia-Records, und Nick Fasciano entwarf das Logo, welches von nun an jedes Albumcover im Gruppenkatalog
schmückte.
Guercio beharrte
auf das Logo, weil es für ihn der künstlerische Faktor war." sagt Pankow. Obwohl das Kunstwerk sehr von Cover zu Cover variierte.
So konnte das Logo geschnitzt in einer rauen hölzernen Tafel erscheinen,
wie auf Chicago V,
geprägt in einer kunstvollen Lederarbeit, wie Chicago
VII, oder es wird eine appetitliche Schokoladentafel für
das Chicago X-
Cover, das ein Grammy Award- Gewinner war.
Und dann waren diese
sequenziellen Albumtitel.
Die Fans fragten mich immer, warum wir unsere Alben durchnummerierten," scherzt Cetera, und der Grund war, weil wir uns immer darüber
stritten, wie wir sie nennen sollten. O.K, III, O.K., IV!"
Eigentlich versuchte es die Band nie, die Alben zu betiteln, ein Beweis,
dass die Musik für sich selbst sprach.
In kommerzieller Hinsicht war die bedeutende Änderung, die mit Chicago II kam,
Chicagos Öffnung zum Singlemarkt. Im Oktober 1969 hatte Columbia Beginnings als Single veröffentlicht, aber AM-Radio war daran
nicht interessiert, und die Platte erschien nicht in den Hitlisten.
All dies veränderte sich aber, sobald das Label sich zwei Songs
aussuchte, Make
Me Smile und Colour
My World von Pankows Ballett und veröffentlichte sie als die zwei Seiten einer Single im März
1970.
Ich fuhr in
meinem Auto den Santa Monica Boulevard in L.A. entlang," erinnert
sich Pankow, ...und ich drehte am Radio zu "KHJ" und Make
Me Smile begann. Ich baute beinahe einen Unfall: Tatsächlich,
es ist mein Song!, und ich höre es auf der größten
Station in L.A. Ab diesem Zeitpunkt wsste ich: Hallo, wir
haben eine Hitsingle! Sie würden sie nie in L.A. spielen,
außer wenn es ein großer Hit wäre. Damit war dies einer
der aufregenderen Momente in meiner frühen Karriere."
Die Single erklomm
die Top-10, während Chicago
II sofort Gold bekam, Platz 4 auf den LP-Charts erreichte
und sogar noch das erste Album begünstigte, es verkaufte sich dadurch auch noch gut. Eine
zweite Single, Lamms 25
Or 6 To 4, war ebenso ein großer Hit im Sommer 1970,
sie erreichte Platz 4.
Aber anstatt aus dem zweiten Album eine dritte Single auszukoppeln,
entschieden sich Columbia und Chicago, das Interesse auf das wieder zu stimulierende erste Album zu lenken, und man war dabei erfolgreich.
Die nächste Single der Gruppe war Does
Anybody Really Know What Time It Is?, es wurde ihr dritter
Top-10 Hit nacheinander seit 1971.
Um ganz ehrlich
zu sein, ich glaubte bis zu dieser Zeit nicht daran, dass man echt
dazu bereit waren, Bläser in der Weise sich anzuhören, wie
wir es taten," sagt Parazaider. Aber nachdem sich unser
Ruf sich mit den großen Bläser-Hits wie 25
Or 6 To 4 oder Make
Me Smile gefestigt hatte, brach das Eis, und sie nahmen
unser Material an, das leichter aufgenommen wurde als ein Jahr davor."
Ironischerweise kostete
Chicagos verspäteter Single-Erfolg der Gruppe ihren Underground-Ruf.
Auf einmal," erinnert sich Loughnane, sagten die
Leute, wir betrieben Ausverkauf. Die gleiche Musik! Genau die gleichen
Lieder!"
Im Januar 1971 hatte
Chicago wieder Zeit gefunden, ein neues Doppelalbum aufzunehmen.
Das dritte Album machte uns Angst," sagt Parazaider, weil der Material-Überschuss
uns im Grunde ausgegangen war, und wir waren noch viel unterwegs. Wir
hatten Angst, dass wir uns ein klein wenig unter dem Limit bewegten,
um ein Album herzustellen. Aber ich glaube nicht, dass es was ausgemacht
hat."
Das ganze Album war mehr abenteuerlicher in Hinsicht auf musikalischer
Erkundung als die ersten zwei Alben," sagt Pankow. Robert schrieb eine Menge intensives Material."
Cetera bog seine Muskeln und schrieb wieder einen Song.
Danny und ich kamen eines Nachts zusammen, und ich sagte: Ich
mache diese kleine Sache, damit ich endlich wieder zu arbeiten anfange," erinnert er sich. Das Ergebnis war Lowdown,
es wurde die zweite Single von Chicago
III. (Die erste war Lamms Free.) Ich bin heute noch stolz darauf," sagt Cetera.
Nach den Singles von Chicago III kam
Chicago's Erfolgs-Kurs ins Laufen und sie verhalfen dem Album zum Chart-Erfolg auf
Platz 2, und als es Gold wurde, wandte sich Columbia zum ersten und
zweiten Album, die immer noch in den Hitlisten waren, und wiederveröffentlichte
die Singles Beginnings und Colour
My World und danach Questions
67 & 68.
Sie wurden alle Hits," bemerkt Loughnane, ...bis
zu dem Punkt, wo das Radio sagte: Wenn sie noch irgendetwas vom
ersten Album veröffentlichen, werden wir nie mehr einer ihrer Platten
spielen."
Mit ihren ersten drei
Alben erreichte Chicago erstaunlichen populären Erfolg. Alle drei
Doppel-LPs waren noch überall in den Charts von 1971, und
Hits kamen von jedem einzelnen. Aber wie konnte man das noch steigern?
In Oktober veröffentlichte Columbia eine großzügige
Vier-LP-Box, die den einwöchigen Auftritt der Gruppe vom 5-10
April in der Carnegie-Hall dokumentierte.
Chicago
At Carnegie Hall wird der Band noch lange in Erinnerung bleiben. Laut Cetera hemmte das ganze "extra Sound-Equipment" den Spielfluss der Band.
Innerhalb der ersten zwei oder drei Songs der Eröffnungsnacht
wurde plötzlich die Lautstärke meines
Basses erheblich leiser," erinnert sich Cetera. ...ich
drehte mich um, und ein Roadie drehte an meinen Bass-Knöpfen. Ich sagte ihm: Was zur Hölle machst du da?
Er meinte: Nun, der Sound-Truck hat mich beauftragt ihnen zu sagen,
dass sie den Bass leiser stellen sollen. Und weil ich es Ihnen nicht
erzählen konnte, machte ich es halt selbst. So etwa wie in dieser Art passierte es mit jeden von uns."
Ich hasse es," sagt Pankow. Die Akustik der Carnegie Hall wurde niemals
für verstärkte Musik konstruiert, und die Bläser klangen
nach der Verstärkung wie 'Kazoos'."
Parazaider aber bemerkt mit Stolz, dass das Album einen Meilenstein
für die Gruppe markiert, denn sie waren die erste Rockgruppe, die
es schafften, die Carnegie Hall für eine Woche auszuverkaufen.
Das war eine aufregende Woche," fügt Lamm hinzu, um
wirklich einmal in der Carnegie Hall spielen zu können."
Lamm bekam die Chance,
seinen Song A
Song For Richard And His Friends zu präsentieren, der
auf Chicago V erscheinen sollte. Der April 71 war lang vor Watergate,
und der Rücktritt eines amerikanischen Präsidenten war unvorstellbar,
aber das hinderte Lamm nicht daran, Richard M. Nixon einen hilfreichen
Vorschlag anzubieten.
Ich liebe dieses Lied," sagt Lamm, und später
machte ich davon eine Version für mein erstes Soloalbum, Skinny
Boy, obwohl es am Ende doch nicht darauf veröffentlicht
wurde. Im Anhängsel-Refrain fügte ich den Satz Danke,
John Dean hinzu. (Dean war der Präsidenten-Assistent, der
die Pfeife für Nixon blies.) Mir erzählte einer der berühmtesten
Psychiater von Los Angeles, dass ich psychisch bin, ich wusste
es aber bisher nicht."
Wegen der Produktionskosten
musste Manager und Produzent Guercio mit Columbia kämpfen, um
das Album zu veröffentlichen. Er stimmte dem Kompromiss zu: Wenn sich
das Album weniger als eine Millionen Einheiten verkaufe, müsste
er die Extrakosten übernehmen. Diese Rechnung ging aber nie auf.
Chicago At Carnegie
Hall bekam Gold und wurde seitdem zwei Millionen Mal verkauft. (Der aktuellen Politik des Record Industry
Association of America (RIAA) zufolge, der jeden Tonträger in einem
Multidisc-Satz individuell mitzählt, würden tatsächlich
dem drei- CD Album sechs Millionen Verkäufe bescheinigt werden.)
Einiges vom Carnegie-Hall-Album ist echt gut," sagt Loughnane. Hier war viel gutes Material, aber es gab auch viel Zeug, mit dem ich unglücklich
war, und dachte nicht, dass es veröffentlicht werden sollte,
aber so war es halt. Es gibt eine Geschichte hinter diesem Album. Die
Story, das Marketing, all dieses Zeug, das davon handelte. Das Programm,
die Bilder des Gebäudes, die Graphiken, all das waren Teile von
dem Charisma, und es funktionierte. Aber ich glaube, dass wir auch heute
große Live-Alben machen könnten. Mir würde es Spaß
machen."
Obwohl Chicago schon
vorausgehend Europa und dem Fernost besucht hatte, ihre erste originale
Welt-Tournee starteten sie erst im Februar 1972.
Wir spielten 20 Tage in 16 Länder," erinnert sich
Walt Parazaider. ...es ist dieser alte Film: Wenn es Dienstag
ist, ist es Belgien. Die Leute sagten: Sie zogen um die Welt,
sie spielten in all jenen Ländern. Ich sage: Ja, ich
erinnere mich an einige der Zimmerdecken in einigen der nettesten Hotels
von Europa. Aber wir wurden ein internationaler Erfolg, und das
war toll, weil die Fans in aller Welt wirklich unsere Musik liebten.
Und es gibt nichts Schmeichelhafteres für Musiker, als jemanden
zu haben, der ihr Lied mitsingt, wenn sie in Deutschland, Australien
oder Japan sind. Wir bestaunten es. Wir mussten uns kneifen, weil
wir diesen großen Erfolg hatten."
Höhepunkt der
Tour war Japan, wo Chicago noch
ein Live-Album aufnahm, das dem Carnegie
Hall Album überlegen war.
Der Japaner arbeitete mit zwei Achtspur-Maschinen und koppelte
sie, um 16 Spuren zu machen," sagt Parazaider. Die Klangqualität
war ausgezeichnet." Die Doppel-LP wurde seinerzeit nur in Japan
veröffentlicht, aber sie ist jetzt bei Chicago Records
auf CD (2014 bei "Rhino") verfügbar.
Chicagos nächstes
Studioalbum markierte eine Änderung der LP-Politik, wie man sie
von ihren ersten drei Studioalben gewohnt war. Zunächst einmal:
Chicago V, veröffentlicht
im Juli 1972, war nur ein einzelnes Album. Dann wurden die längeren
Instrumentalparts vergangener Alben kürzer gehalten, übrig
blieben neun relativ straff arrangierte Songs.
James Pankow erklärt, warum die Band sich veränderte: Zu dieser Zeit hatte veränderte sich das Radio," bemerkt er. FM-Radio wurde kommerzieller,
und es führte Formate ein. Unsere Band hat nie gesagt: Wir schreiben nun ein Album nur mit Hit-Singles! So wollten wir unsere Arbeit nie gestalten."
Aber Chicago ahnte doch, dass sich die Musikindustrie veränderte.
Lee Loughnane deutet
mit einem wenig bekannten Business-Grund an , warum (mit der Ausnahme
von Chicago VII) die Band aufhörte, Doppel-LPs zu machen, die viele Kompositionen
enthielten: Das was sich wirklich veränderte war in einer bedeutsamen Weise die Art, wie wir für unsere Song-Urheberrechte
bezahlt wurden," sagt er. Als wir jene Doppel-LPs
veröffentlichten, gab es keine Einschränkung bei den Songs
und den Urheberrechten. Dann aber entschieden sich die Gesellschaften
dafür, dass sie nur zehn Urheberrechte pro LP zahlen werden, egal
wie viele Songs es gab."
Die neue urheberrechtliche Regel begünstigte zu dieser Zeit einige
Musiker, die als Künstler ausgedehnte seitenlange Kompositionen
manchmal aufnahmen. Aber Chicago, die schon vorher ihren Fans extra
viel Musik fürs Geld auf Doppel-LPs gegeben hatte, litt dadurch.
Wir wollten Songs schreiben, die ausgedehnt sind und alles
aussagen, was wir wollten," bemerkt Loughnanne. VII war die letzte Doppel-LP und ich denke nicht, dass jemals
noch eine Doppel-LP erscheint, weil es keinen Grund dafür gibt.
Finanziell verloren wir alle davon."
An Chicago
V wird man vielleicht am ehesten wegen Lamms Saturday
In The Park erinnert.
Ich wohnte mit ihm zusammen, und wir waren am 4. Juli in Manhattan," erinnert sich Parazaider. ...Robert kam sehr aufgeregt vom
Central Park zum Hotel zurück, nach den Darbietungen der Steel-Drum
Spieler, Sänger, Tänzer, und Jongleure. Ich sagte: Mann,
es ist Zeit, das in Musik umzusetzen!"
Lamm hatte seine Erlebnisse im Park gefilmt, später bearbeitete
er den Film und schrieb Saturday
In The Park als einen Song, der das erlebte in Musik umsetzte.
Das Album verkaufte sich sehr gut und war neun Wochen in den Charts,
als erstes von fünf Chicago Alben erreichte es Platz 1. Saturday
In The Park wurde die erste Goldsingle der Band und stieg
auf Platz 3.
Als Chicago
V hoch in den Charts stand, machten die Band und ihr Produzent
erstmal eine Musikpause. Sie arbeiteten weiter
an dem Film Elector Glide in Blue' (Harley-Davidson 344),
in dem Guercio selbst Produzent war und Regie führte Der Film wurde
in Arizona gedreht und hatte als Hauptdarsteller Robert Blake zu bieten,
es spielten von Chicago die Mitglieder Terry Kath, Lee Loughnane, Walt
Parazaider und Peter Cetera mit. Guercio schrieb auch das meiste des
Soundtracks, welcher von Kath, Parazaider, Loughnane, Pankow und von
einigen L.A.' s Top-Studio-Musiker gespielt wurde.
Im Oktober 1972 wurde
eine zweite Single von Chicago
V veröffentlicht, Lamms Dialogue
(Part 1&2), gesungen von Kath und Cetera. Der Song wurde
ein absoluter Fan-Favorit.